Kein Haus ohne Gründung – keine Gründung ohne Baugrundgutachten – Robert Phillipp erklärt im Experteninterview auf was beim Baugrund zu achten ist, wo Vorsicht angesagt ist, was die typischen Kostentreiber sind, welche Schäden auftreten können und vieles mehr.

Zur Person: DI Robert Philipp absolvierte Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Univ. f Bodenkultur in Wien und ist Geschäftsführer der TERRA Umwelttechnik GmbH. TERRA arbeitet fast ausschließlich für große Auftraggeber wie Bund, Wohnbaugenossenschaften, OMV, ÖBB etc. und hat vor kurzem grundfest.at gestartet. TERRA hat erkannt, dass Bodengutachten für große Bauvorhaben absolut selbstverständlich sind, es aber im privaten Bereich massive Informationsdefizite gibt und bei Bauvorhaben oft am falschen Platz gespart wird. Mit grundfest.at hat sich Robert Philipp daher auf Baugrundgutachten für den privaten Hausbau spezialisiert.

Die Besichtigung des Baugrundstücks – auf was kann man selbst achten?

Es gibt eine ganze Reihe von öffentlich zugänglichen Informationen, die auch von privaten Häuselbauern unkompliziert genutzt werden können. Diese Möglichkeiten werden allerdings oft übersehen. Wir haben schon Kunden erlebt, die ohne es zu Wissen Baugrund auf einer alten Deponie gekauft haben – dabei hätte jeder Nachbar gern darüber Auskunft gegeben. Aber es gibt auch den Altlastenatlas und den Verdachtsflächenkataster. Das sind öffentliche Verzeichnisse die vom Umweltbundesamt geführt werden und für jedermann unter https://www.altlasten.gv.at/ leicht einsehbar sind. Wenn ihr potentielles Bauland in diesen Verzeichnissen angeführt ist sollten sie den Kauf bleiben lassen oder nur unter massiver fachlicher Beratung durchführen.

Aber auch übliche Baugrundinformationen kann man öffentlich finden. So führen viele Gemeinden einen Baugrundkataster wie zB die Stadt Wien unter https://www.wien.gv.at/baugk/public/. Dort finden sie alle Bohrungen in Ihrer Nähe. Mit einer recht einfachen Anfrage und einer sehr geringen Gebühr erhalten sie unter Umständen für sie sehr relevante Bohrprofile – also Auskunft wie der Boden unter Ihren Füßen aussieht.

Baugrund Infos in Deutschland

Baugrundgutachten – wann braucht man eines und was kostet ein Bodengutachten?

Ein Baugrundgutachten für ein Einfamilienhaus kostet etwa 2.500Euro. Es sollte absolut IMMER durchgeführt werden.

Man darf nicht vergessen, dass IHR GESAMTES BAUPROJEKT um vielleicht 400.000Euro auf diesen ca. 2.500Euro steht. Wenn sie dort sparen kann das echt wehtun! Wir haben schon gesehen, dass ein neuerrichtetes Eigenheim nach nur einigen Wochen massive Risse hatte und um nochmals 250.000Euro unterfangen werden musste, weil Totalverlust drohte! Ich glaube nicht, dass irgendwer wissentlich dieses Risiko eingeht, wenn er weiß, dass man 0,6% der Bausumme einsparen kann aber 60% der Bausumme als Zusatzkosten drohen!

Was sind die typischen Kostentreiber beim Baugrund?

Was ist der Baugrund? Das sind im eigentlichen Sinn die ca. 3-4m Boden welche direkt UNTER ihrem Fundament liegen. Also wenn sie ohne Keller bauen müssen sie die obersten 4m Ihres Baugrundes kennen. Wenn sie einen 3m tiefen Keller wollen ist der Baugrund der Ihr Haus tragen soll zwischen 3-7m unter Gelände!

Ein Baugrundgutachten, das mittels Baggerschürfen den Boden bis 4m Tiefe beurteilt, ist sinnlos, wenn genau diese 4m dann für den Keller abgegraben werden! Sie müssen wissen, ob der Boden DARUNTER fest ist! Und genau das ist die „tragende“ Eigenschaft des Bodens. Wie zusammendrückbar (=setzungsempfindlich) ist er und wie gleichmäßig ist er. Denn auch wenn sich Ihr Haus um 5cm setzen wird ist Ihnen das egal wenn es gleichmäßig erfolgt. Wenn hingegen der linke Teil 5cm absinkt während der rechte sich nicht bewegt, haben sie massive Risse in der gesamten Konstruktion!

Wenn sie das vorher wissen kann Ihr Architekt/Baumeister gegensteuern. Aber es macht auch keinen Sinn, unter jedes Haus eine riesen Betonplatte zu gießen, die dies ausgleichen soll. Streifenfundamente kosten oft nur einen Bruchteil einer Plattenfundierung!

Also Kostentreiber beim Baugrundgutachen sind hauptsächlich Größe Ihres Hauses, beabsichtigte Aushubtiefe, Hanglage, Nähe zu anderen Bauwerken, Zufahrbarkeit etc.

Baugrundbezogene Kostentreiber beim Bauen sind hauptsächlich, weicher oder inhomogener Boden, Hanglage, hoher Grundwasserspiegel, Kellertiefe, Bauwerksgewicht (zB ist eine Holzriegelkonstruktion wesentlich leichter als Vollbeton), Punktlasten (zB Stützen die viel Last tragen), etc.

Schäden durch die Gründung – Welche Schäden kommen häufig vor und was kann man dagegen unternehmen?

Die häufigsten Schäden sind Risse in der Außenwand, die zumeist durch ungleichmäßige Setzungen des Untergrundes hervorgerufen werden. Sollten diese Setzungen nicht abklingen – was bei weichem Boden durchaus passieren kann – dann kann auch ein Totalverlust des Bauwerks drohen!

Häufig sind auch (teilweise) Hanggleitungen von Bauten in geneigtem Gelände.

Wenn es soweit gekommen ist, müssen sie unbedingt nachträglich ein Baugrundgutachten machen lassen – das selbstverständlich aufgrund der Bebauung und den bereits aufgetretenen Problemen wesentlich aufwendiger sein wird – um die Ursachen zu finden. Je nach Ergebnis des Gutachtens können im Anschluss Maßnahmen gesetzt werden, die das weitere Absinken verhindern (zB Unterfangungen). Erst dann kann die Reparatur der bereits entstandenen Schäden am Haus angegangen werden.

All das ist IMMER um ein Vielfaches teurer als von Anfang an auf Nummer sicher zu gehen. Ein Haus sollte man nur einmal bauen. Deshalb sind Baugrundgutachten in Deutschland auch bei JEDEM Bauvorhaben zwingend vorgeschrieben.

Auch sind immer noch nasse und/oder schimmlige Keller ein häufiges Problem.

Welchen Einfluss hat das Grundwasser auf die Gründung?

Die Wasserspiegellage Ihres Grundwassers ist von ganz wesentlichem Einfluss auf die Baukosten und natürlich auch auf die Gründungskosten!

ACHTUNG! Der Grundwasserstand ist nicht stabil, sondern unterliegt einer Schwankung! In den meisten Gegenden in Österreich ist der Grundwassergang ca. 1-2m auf und ab. Aber wir haben auch schon 4m und mehr gemessen! Das Problem ist daher, dass sie nicht nur wissen müssen, wo ihr Grundwasser gerade jetzt steht, sondern auch, bis wie weit es aufsteigen kann. Auch solche Prognosen finden sie in einem guten Baugrundgutachten.

Man kann natürlich auch im Grundwasser bauen. Allerdings müssen sie nicht nur massiven Aufwand in einen dichten Keller stecken, sondern auch in der Bauphase den Grundwasserspiegel z.B. durch Pumpen lokal absenken, damit ihre Baufirma überhaupt in die Baugrube kann. Solche Bauwasserhaltungen führen wir auch durch – raten aber Eigenheimerrichtern aus Kostengründen zumeist davon ab. Billiger ist es in einem solchen Fall, einfach auf einen Keller zu verzichten und stattdessen eine Garage etc. zu bauen.

Welche Informationen findet man in einem Baugrundgutachten?

Es gibt viele Arten von Bodengutachten. Das am meisten verbreitete ist das geotechnische Gutachten. Dieses sagt Ihrem Baumeister, wie viel Last ihr Boden verträgt. Eine direkte Gründungsempfehlung kann oft nicht im Bodengutachten enthalten sein, weil das Fundament ja nicht nur vom Boden, sondern vor allem von der Last darauf – also von ihrem Haus – abhängt. Natürlich ist ein Massivbetonbau deutlich schwerer als eine Holzskelettkonstruktion. Daher muss in diesem Fall – bei gleichem Boden – das Fundament viel aufwendiger sein.

Aber es gibt auch Gutachten zum Grundwasser, zur Erdwärmenutzung, zur Bauwasserhaltung, zur Kampfmittelfreiheit (BITTE DIESE GEFAHR NICHT UNTERSCHÄTZEN!) etc. Genau beschrieben finden sie diese Gutachtenvielfalt natürlich auf grundfest.at

Von welchen Grundstücken würden Sie persönlich die Finger lassen?

Technisch ist jeder Boden bebaubar! Aber die Kostenschere geht hier weit auf!

Sehr grenzwertig sind die bereits erwähnten Alt Deponien etc. Nicht nur, dass sie sich auf ein rechtes Kostenrisiko einlassen, können auch zum Teil lebensgefährliche Gase in den Keller eindringen etc. Solche Bauwerke gehören nur in die Hände von erfahrenen Betreibern/Bewohnern.

Wir hatten auch schon Gutachten wo wir ermitteln konnten, dass in nur 30-40m Tiefe ein alter Bergwerksstollen verläuft. Auch hier würde ich aus Vorsicht eher von einer Bebauung als Eigenheim abraten.

Sehr interessant – und oft nur etwas aufwendiger – können Hanggrundstücke sein. Selbstverständlich gilt auch hier Hang ist nicht gleich Hang. Es gibt ausgeprägte Rutschhänge, wo man unter keinen Umständen bauen sollte (auch wenn schon einige Nachbarn diesen Fehler gemacht haben). Die meisten Hänge aber sind friedlich und relativ einfach zu fundieren.

Grundstücke im Hochwasserabflussbereich sind oft wunderschön aber sollten unbedingt gemieden werden! Wir hatten Gutachten wo der Bauherr HW100 eingehalten hatte. Das bedeutet, dass statistisch nur alle 100 Jahre ein Hochwasser das Gebäude erreicht. Das hilft nur leider nicht viel wenn nur ein Jahr später dieses HW 100 erreicht wird! Ich habe in meinen 25 Jahren Berufserfahrung bereits zwei tausendjährige Hochwässer gesehen! Die Statistik stimmt! Aber wenn es SIE trifft zählt das Einzelschicksal – nicht der Durchschnitt!

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Bild: Jing auf Pixabay