Einen Altbau energetisch sanieren: Was ist nachhaltig und auch wirtschaftlich? In diesem Experteninterview werden die wichtigsten Punkte der energetischen Sanierung erklärt; von der Gesamtenergiebilanz bis hin zu den einzelnen Maßnahmen wie Vollwärmeschutz, Fensteraustausch und Heizsystem.
Zur Person: Silke Scherhag arbeitet an ihrer Diplomarbeit an der TU-Graz für die Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen. Dabei beschäftigt sie sich mit der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Die Nachhaltigkeit wird dabei ganzheitlich beurteilt. Faktoren wie zB.: der Life Cycle / die Ökobilanz von Bauprodukten, den ökologischen, ökonomischen, funktionalen und technischen Wechselwirkungen werden berücksichtigt.
Inhalt
Ist die Altbau Sanierung nachhaltig? Oder wird ein Neubau immer energieeffizienter sein?
Grundsätzlich einmal ist es in vielen Fällen nachhaltiger einen Altbau zu sanieren, als ein bestehendes Gebäude abzureißen, zu entsorgen und ein neues Gebäude aufzustellen.
Die gesamte Energie, die erforderlich ist, um ein Haus zu errichten wird graue Energie genannt. Angefangen vom Rohstoffabbau bis hin zur Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung der Baumaterialien ist hier alles enthalten.
Betrachtet man die Gesamtenergiebilanz eines Hauses über die ganze Nutzungsdauer (inklusive aller Betriebskosten und Mobilitätskosten) so macht der Anteil an grauer Energie, in heutigen Neubauten, rund ein Viertel der Gesamtenergie aus. Im Vergleich dazu ist bei einer Altbausanierung nur ein Bruchteil der grauen Energie erforderlich.
Also selbst, wenn ein Neubau weniger Betriebsenergie für Heizen und Strom benötigt, kann er bei einer Betrachtung der Gesamtenergiebilanz ungünstiger sein als ein sanierter Altbau. Auch in ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht kann eine Sanierung sinnvoller sein.
Und betrachtet man dann auch noch die höheren Wohnflächenansprüche bei Neubauten und die zunehmende Pendler-Distanzen (für ein Haus im Grünen) relativieren sich die positiven Auswirkungen des geringeren Betriebsenergiebedarfs von Neubauten.
Energetisch sanieren – welche Maßnahmen gibt es und was ist sinnvoll?
Grundsätzlich lohnt es sich hier einen Experten zu Rate zu ziehen. Wer vorab selbst die Lage einschätzen möchte, kann folgendes tun:
- Zunächst einmal sollte der Altbau auf echte Baumängel untersucht werden, denn diese müssen saniert werden. Schimmelt es im Haus oder gibt es feuchte Stellen? Ist der Keller trocken und das Dach dicht oder gibt es morsche Stellen im Dachstuhl? Feuchtigkeit und Schimmel sind oft Anzeichen dafür, dass der Wandaufbau, der Dachaufbau oder die Fenster versagen, dann sind gröbere Maßnahmen erforderlich.
- Dann sollte man versuchen den Ist-Zustand auf Energieeffizienz einzuschätzen. Dies gelingt zum Beispiel mit einer Wärmebildkamera. Die gibt Auskunft darüber, wo im Haus die meiste Wärme verloren geht. Auch die Heizkostenabrechnung der letzten Jahre gibt einen groben Einblick über die momentane Situation. Und ob Handlungsbedarf besteht.
- Sinnvoll ist es ebenfalls das Heizsystem zu überprüfen. Ein altes System sollte erneuert werden. Ein Heizkesselaustausch ist sinnvoll, wenn der alte Heizkessel zu groß dimensioniert ist. Aber auch mit der Regelung der Heizungsanlage kann bereits einiges erreicht werden. Zum Beispiel durch das Senken der Vorlauftemperatur, das Anpassung der Pumpleistung und die Nachtabsenkung.
- Als nächstes können relativ einfache und zielführende Maßnahmen gesetzt werden. Diese Maßnahmen sind vergleichsweise günstig und können bereits 1/3 der Heizenergie einsparen.
- Die Kellerdecke dämmen
- Die oberste Geschoßdecke gegen den unbeheizten Dachraum dämmen
- Rohrleitungen dämmen
- Größere Maßnahmen wie der Austausch der Fenster und ein Vollwärmeschutz an der Fassade sollten gut durchdacht werden. Und am besten mit einem Experten geplant. Sie sind vergleichsweise aufwändig und teuer. Die Investitionskosten müssen dem Nutzen im Einzelfall gegenübergestellt werden.
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Wann lohnt es sich die Fenster in einem Altbau zu erneuern?
Altbau ist nicht gleich Altbau.
Altbauten der Nachkriegszeit bis ca. 1980 weisen meist Einfachfenster mit Doppelscheiben auf. Deren Wärmedämmeigenschaften sind nicht berauschend und am Fensterrahmen bildet sich häufig Kondenswasser. Bei solchen Fenstern sollte ein Austausch in Erwägung gezogen werden.
Bei einem Gründerzeithaus aus der Jahrhundertwende dagegen sind meist noch die alten Wiener Kastenfenster eingebaut (das sind doppelflügelige einfach-verglaste Fenster). Diese Fenster haben vergleichsweise guten Wärmedämmeigenschaften und sind sehr widerstandsfähig gegen Kondensat und Schimmelbildung. Sie sind für einschalige massive Wände ideal geeignet.
Zu bedenken ist in jedem Fall: wenn die Fenster in einem Altbau gegen moderne dreifachverglaste Fenster ausgetauscht werden, dann passt eine ungedämmte Außenwand nicht mehr dazu. Dann sollte auch die ganze Fassade mit einem Vollwärmeschutz versehen werden. Anderenfalls entweicht durch die Mauer mehr Wärme als durch die nun hoch gedämmten Fenster. Dadurch bildet sich Kondenswasser nun nicht mehr an den Fensterscheiben, sondern vermehrt an der Wand. Es kommt zu Feuchtigkeit und Schimmel.
Mehr zum Thema Fenster findest du hier.
Nachträglicher Vollwärmeschutz beim Altbau ist ein großes Thema – Ist ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) nachhaltig und sinnvoll?
Als nachträglicher Wärmeschutz im Altbau wird häufig ein sogenanntes Wärmedämmverbundsystem aus EPS-Platten verwendet (expandiertes Polystyrol). Dieses Material ist in Verruf geraten, weil es natürlich keinesfalls ökologisch ist, es brennbar ist und weil dadurch ein vorher diffusionsoffenes Ziegelmauerwerk die positiven, diffusionsoffenen Eigenschaften verliert. Andererseits ist es günstig und dämmen gut.
Es gibt aber auch Alternativen zur EPS-Platte. Zum Beispiel Wärmedämmverbundsysteme aus Steinwolle oder Mineralschaum, diese sind im Unterschied zu EPS nicht brennbar, recycelbar und diffusionsoffen. Allerdings unterscheiden sie sich auch im Preis.
Ob ein nachträglicher Vollwärmeschutz bei einem Altbau sinnvoll ist, hängt stark vom Altbau ab. Ein Haus aus den 60er Jahren, welches bereits mit 5-8cm EPS-Platten gedämmt ist, wird man vermutlich wieder mit einem WDVS sanieren. Hier gibt es sogar Lösungen, dass die alte Dämmung bestehen bleibt und die neu einfach darüber kommt, so entfällt die Entsorgung.
Bei einem Altbau aus der Jahrhundertwende oder vorher wird man solch ein System eher sparsam und wenn, dann sehr vorsichtig einsetzen. Die positiven Eigenschaften der alten massiven Ziegelmauern sollen durch eine Sanierung ja nicht verloren gehen.
Weiterführende Infos:
Welches Heizsystem eignet sich besonders für eine nachhaltige und energetische Sanierung?
Fossile Brennstoffe wie Erdgas und Öl sind nicht nachwachsend und daher nicht ökologisch. Auch wenn moderne Gas-Brennwert-Wärmerzeuger verglichen mit anderen Heizsystemen den höchsten Nutzungsgrad hat und eine günstige Lösung darstellt.
Aus ökologischer und nachhaltiger Sicht eignet sich für Altbauten sowie für Neubauten die Fernwärme sehr gut. Weitere sinnvolle Möglichkeit einen Altbau zu beheizen sind: Pelletheizungen und Stückholzvergaser mit Pufferspeicher in Kombination mit einer Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung.
Wärmepumpen und Elektro-Direktheizungen (zB. Infrarotheizungen) eigenen sich im Altbauten eher weniger. Zu groß ist die erforderliche Heizleistung.
Einen Vergleich der Heizsysteme gibt es hier.
Was sind die größten Bausünden der Vergangenheit?
- Giftige Baumaterialien (Asbest, Künstliche Mineralfasern, Formaldehyd etc.)
- Chemischer Holzschutz (Pentachlorphenol, Lindan, Dichlordiphenyltrichlormethan)
- Schimmelpilze durch ungeeignete und anfällige Wandaufbauten. Völlig diffusionsverschlossene Häuser sind sehr anfällig für Schäden wie Schimmel, Feuchtigkeit.
- Falsche Fenster und falscher Fenstereinbau
- Zu wenig Austrocknungszeit in der Bauphase. Baufeuchte wird nicht oder zu wenig abgeführt (Feuchtigkeit aus Estrich, Fassade, Innenausbau bereiten Probleme)
- Silikatputze und EPS an Fassaden verschlechtern das Diffusionsverhalten.
Vielen Dank für das Interview!
Grafiken: baugorilla
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