Gemeinschaftliches Bauen macht es möglich: zentrales Leben in der Stadt, individuell geplant, geringe Baukosten, ökologisch und auf Niedrigstenergiestandard, autofrei, Freunde als Nachbarn und noch vieles mehr steckt hinter dem Prinzip Baugemeinschaft (auch Cohousing genannt).

Prinzip der Baugemeinschaft – Cohousing

Bei einer Baugemeinschaft schließen sich mehrere Familien/Paare oder Singles zusammen, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllen und gemeinsam bauen wollen. Durch den Zusammenschluss zur Gemeinschaft ergeben sich sowohl beim Bauen als auch beim späteren Wohnen einige Vorteile.

Vorteile der Baugemeinschaft

Das Bauen als Baugemeinschaft kann als eine Mischung zwischen dem Bauträgerhaus-Prinzip und dem Einfamilienhaus-Prinzip gesehen werden. So wie bei einem Einfamilienhaus plant die Baugemeinschaft ihr Projekt individuell, das Grundstück wird selbst gewählt, ebenso wie der Wohnungsgrundriss und vieles mehr. Dennoch hat das Baugemeinschafts-Projekt einige Vorteile gegenüber einem Einfamilienhaus.

Hard facts:

  • günstigere Baukosten als beim Einfamilienhaus (Gemeinkosten wie z.B. Kran, Erschließung etc. werden aufgeteilt, Typisierung ist möglich, größeres Auftragsvolumen)
  • günstigere Objektkosten als beim Einfamilienhaus (Einsparungen beim Grundstück – dadurch werden zentrale Lagen möglich, Einsparungen beim Haus durch Gemeinflächen)
  • ökologisch günstiger als ein Einfamilienhaus
  • professionelle Projektabwicklung, geringere Risiken
  • Gewinn- und Risikospannen entfallen gegenüber einem Bauträgerhaus
  • Individuelle Planung und Mitbestimmung ist möglich im Unterschied zum Bauträgerhaus
  • Grunderwerbsteuer nur auf die Grundstückskosten – im Unterschied zum Bauträgerhaus
  • Es sind auch individuelle und/oder gemeinschaftliche Eigenleistungen möglich.

Soft facts:

  • Es bildet sich durch das gemeinschaftliche Planen eine feste Gemeinschaft die eine Dorfgemeinschaft oder Großfamilie ersetzt. Die Teilnehmer bauen ein persönliches Verhältnis zueinander auf. Die Zweckgemeinschaft wächst zur Lebensgemeinschaft zusammen, zum Cohousing.

Nachteile und Probleme der Baugemeinschaft

  • Es müssen viele Kompromisse geschlossen werden, es wird viel diskutiert werden und ebenso wird es zu Spannungen kommen. Teamfähigkeit, Geduld, Respekt und Offenheit sind daher wichtig. Kein gutes Modell für Einzelgänger.
  • Relativ viel Eigeninitiative ist gefragt. Jeder Einzelne muss sich beteiligen, Zeit investieren und seinen Beitrag leisten.
  • Ein Baugemeinschaftsprojekt benötigt im Schnitt viel länger von der ersten Idee bis zur Fertigstellung. Es muss über alles diskutiert und Konsens erzielt werden. Ein guter Erfahrungsbericht dazu findet ihr hier.

Beteiligte Bau-Partner einer Baugemeinschaft

Eine Baugemeinschaft besteht immer aus drei Einheiten:

  • Bauherren (ein GbR-Vertrag wird abgeschlossen)
  • Architekt (Architektenvertrag, er ist zuständig Bau und Planung)
  • Projektsteuerer (Projektsteuervertrag – ca. 3-4,5% des Gesamtvolumens, zuständig für die Organisation und Moderation). Die Projektsteuerung sorgt für eine handlungsfähige Gemeinschaft und muss unbedingt neutral bleiben gegenüber den Einzelwünschen. Projektsteuerer ist keine geschützte Berufsgruppe und kann auch vom Architekten übernommen werden.

Alle drei Partnern (Bauherren, Architekt und Projektsteuerer) sollen frühzeitig festgelegt werden. Nur so kann aus einer Gruppe von Einzelpersonen eine echte Planungsgemeinschaft entstehen.

Vorgehensweise und Ablauf der Baugemeinschaft

1. Interessensgemeinschaft

Interessierte findet sich zusammen, noch ohne jegliche Verbindlichkeiten. Bereits jetzt sollten alle drei Bau-Partner festgelegt werden (Bauherren, Architekt und Projektsteuerer). Nur so können die nächste Schritte erreicht werden und die Planung beginnen.

2. Planungsgemeinschaft

Bevor eine Baugemeinschaft entsteht muss erstmal der grundlegende Rahmen festgelegt werden. Planungsvereinbarungen werden beschlossen. Die Gruppe wird zu einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Inhalte dieser Planungsvereinbarung sollen sein: Baueckpunkte, Planungsskizzen, Kostenziele, Rechtsform, Regeln zur Kommunikatios- und Entscheidungsfindung, Grundphilosophie, ideelle Ziele, Absichtserklärung mit Architekt und Projektsteuerer, Mitgliedsbeitrag etc. festgehalten. Für diesen Vertrag ist bereits ein Rechtsanwalt oder Notar sinnvoll.

Je Bauherr ist nun eine Anzahlung zu leisten damit die Gruppe Handlungsfähig wird (z.B. für Bodengutachten, für den Vorenwurf…). Die Anzahlung wird nicht Rückerstattet und jedes Mitglied ist somit die erste Verbindlichkeit eingegangen.

Zu Beginn reicht eine Gruppengröße von sechs bis acht Personen aus, da die Planung im kleinen Kreise leichter fällt. Danach kann die Gruppe langsam wachsen, weitere Mitglieder können nach und nach dazu stoßen.

Nun sollte möglichst schnell ein konkretes Objekt gefunden werden, sonst kann es leicht passieren, dass die Mitglieder unmotiviert werden und die Gemeinschaft zerfällt.

3. Baugemeinschaft

Wenn weitere Verbindlichkeiten eingegangen werden (z.B. Grundstückskauf, Architektenvertrag und Projektsteuervertrag) entsteht aus der Planungsgemeinschaft die Baugemeinschaft. Nun gibt es kein Zurück mehr.

Der Empfehlung nach sollten nun (wie auch bei einem Bauträgerprojekt) rund 2/3 der Wohnungen vergeben sein. Über jeden Bauherren muss eine Bonitätsprüfung vorliegen.

Außerdem müssen nun auch bereits Vorentwurf, Maßnahmenkatalog, Kostenschätzung, Termine etc. geplant sein.

4. Wohnungseigentümergemeinschaft

Nachdem der Bau vollendet ist und die Endabrechnung abgeschlossen kann die GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechtes) in eine WEG (Wohnungseigentümergemeinschaft) übergeführt werden. Aus der Baugemeinschaft ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft geworden. Auch finanzielle Rücklagen können an die WEG weitergegeben werden.

Die Bewohner ziehen ein und nun ist es auch an der Zeit eine Hausverwaltung zu besetzen.

Die Architektur einer Baugemeinschaft

Es kommen alle erdenklichen Haustypen in Frage, vom Reihenhaus, Mehrfamilienhaus Neubau, Mehrfamilienhaus Altbau, Doppelhäuser, Siedlung…. Ebenso sind natürlich auch die unterschiedlichste Konstruktionsarten denkbar (Mauerwerk, Stahlbeton, Holzständerbauweise…). Abhängig von den Wünschen der Gemeinschaft wird alles festgelegt. Es können auch einige Gemeinschaftsplätze eingeplant werden, z.B. Gemeinschaftsraum, Partyraum mit Gemeinschaftsküche, Kinderspielraum, Büros, Atelier, Schwimmbad, Werkstatt, Fahrradraum, Gemüsebeet etc…

Ein sinnvolles Maß zwischen Typisierung und Gestaltungsmöglichkeit ist wichtig. Einerseits soll bei den privaten Wohnungen viel individuelle Planung möglich sein. Andererseits sind Typisierungen von bestimmten Dingen sinnvoll (z.B. Fenster, Türen, Beläge etc.) um bei den Planungs- und Ausführungskosten zu sparen. Der richtige Architekt für Baugemeinschafts-Projekt muss gefuden werden.

Beispiele für Baugemeinschaften und Cohousing

Beispiele Mehrfamilienhaus Altbau

  • Glockenstraße 36, 2009, Stuttgart-Nord, METARAUM Freie Architektur BDA, Umnutzung eines Industriebaus in Stattgart für 4 Familien mit Kindern, zum Wohnen und Arbeiten, mehr erfahren
  • Aegidienhof, sanierung von 12 denkmalgeschützten Häusern, Lübeck, 2003, 48 Wohnungen, 17 Werkstätten, Büros, Gemeinschaftseinrichtungen, Kulturcafe, Autofreies wohnen und arbeiten, mehr erfahren

Beispiele Mehrfamilienhaus Neubau

  • E3, Esmarchstraße 3, Berlin, 2008, Kaden Klingbeil Architekten Berlin, 7 Wohnungen, 1 Büro, Gemeinschaftsgarten, Niedrigenergie weit unter 40 kWh/qm, mehr erfahren
  • Sargfabrik, Wien, 1996, Architekt BKK-2 Wien, 75 Wohnungen, Hallenbad, Cafe-Restaurant, Kindergarten, Büros, Seminarzentrum, Dachgärten, Gemeinschaftsfreifläche, mehr erfahren

Beispiele Siedlungen und Reihenhäuser

  • Ökologische Reihenhäuser – Schnepfenweg, 2006, München, Architekt Hanno Kapfenberger Andreas Staudacher, 11 Wohneinheiten, mehr erfahren
  • Guglmugl, Linz, 2000, Architekt Fritz Matzinger, 32 Maisonetten, mehr erfahren

Beispiele Einfamilienhäuser-Gruppen

Ortnerstraße 9a, 8010 Graz, Stiftingtal, 2001, 4 Einfamilienhäuser, Architekturbüro DI Gerhard Rapposch,

Messendorfberg 17, 8042 Graz, 2003, 3 Einfamilienhäuser, Architekturbüro Schwarz-Platzer Architekten ZT-GmbH Graz

Weiterführende Infos: Baugemeinschaft

Allgemeine Infos

Baugemeinschaften der einzelnen Städte

Ausgehend von den Stadtprotalen gelangt man meist auf die Seiten für örtliche Baugemeinschaften. Meist werden Baugemeinschaften von den Städten unterstützt, bekommen öffentliche Förderungen, günstige Grundstücke oder spezielle Kreditkonditionen. Untenstehend sind ein paar Beispiele:

 

Autorin: K.R.

Foto: pixabay